„Für mich vollzieht sich das Bild auf einer imaginären Ebene. Die Leinwand ist Material. Es geht ja nicht darum, Farbe auf die Leinwand zu setzen, sondern es geht darum, die Leinwand ‚abzuschütteln’. Das Bild muss als Erscheinung aufsteigen, vollkommen befreit von dieser Materie. Das ist die hohe Kunst der Malerei, und dieser Punkt hat mich fasziniert. Wie weit ich damit komme, ist eine andere Sache. Aber das ist der Motor. Die Farben bewegen sich in eine Richtung. Man muss sie in eine Organisation bringen. Es entsteht ein Körper von einer relativen Dicke, diese Dicke ist optisch zu verstehen, nicht faktisch. Man muss nun diesen Raum organisieren, und damit meine ich, dass ein Körpergebilde geschaffen wird, welches haptisch, taktil ist. Ein Grundphänomen der Malerei ist immer, die Verwandlung eines taktilen oder haptischen Empfindens in eine optische Sensation. Man muss also für das Räumliche etwas erfinden, dass sich in Farbe ausdrückt und zwar nicht durch Illusion, sondern allein durch die Farbe. Das sind die Grundprobleme in der Malerei, und das ist auch das, was ich Tradition der Malerei nenne. Wenn Sie den ganzen Fortgang in der Geschichte der Malerei beobachten, treffen Sie immer wieder auf dieses Phänomen.(...)
Es geht mir nicht darum, etwas zu produzieren. Das ist ganz unwichtig für mich. Im Grunde könnte man sagen, ein Bild ist der Vollzug eines bestimmten geistigen Prozesses. Die Malerei ist ein unerhört geistiges Abenteuer.“
(Otto Greis,1996)