Pourquoi Paris?

Pourquoi Paris?“ (Der französische Kunstkritiker Roger van Gindertael stellt diese Frage vielen ausländischen, in Paris lebenden Künstlern)


Diese Frage wurde mir mehrfach gestellt, und ich stellte sie mir schon selbst.

In meinem Land wäre meine Arbeit einer voreiligen Fixierung auf eine bestimmte Richtung hin nicht entgangen, und das hätte nur ein Hindernis für die freie Entfaltung der Malerei bedeutet. Ich musste neu und anderswo beginnen.

Die Malerei ‚in ihrem eigentlichen Sinne’ beschäftigt mich, ich meine die Erzeugung des farbigen, von innen leuchtenden, poetischen Kunstraumes, aus den der Malerei immanenten Mitteln heraus.

Mit Poussin verlagerte sich die Tradition der Malerei von Italien nach Frankreich, seitdem schließen sich hier die Werke der Vergangenheit und der Gegenwart zu einer Kette zusammen, jeweilige Gegenwart erweckte Vergangenes zu neuem Leben, und Paris blieb das lebendigste Zentrum der Malerei. Ich sehe auch heute hier eine Reihe von Malern, die sich der Tradition der Malerei anschließen, und indem sie sie verwandeln, wird sie wieder mit neuem, für die Gegenwart gültigem Gehalt gefüllt.

Diese Fülle der Werke richtet sich auf dem Weg jedes Malers wie eine Mauer auf und verlangt ihm eine Entscheidung ab: Er hat die Möglichkeit, die Tradition zu ignorieren oder sich ihr auszusetzen, das heißt, sich mit ihr aus-einanderzusetzen. Für diese Auseinandersetzung bietet Paris das Feld.

Die wegversperrende Mauer der schon existierenden Werke treibt mich zu einer Auflehnung, in der ich über das, was die Malerei bisher geleistet hat, hinaus denken muß, das heißt also auch ihre Grenzen erkennen, um den Möglichkeiten der Malerei vielleicht noch eine neue hinzufügen zu können.

Angesichts der bedrängenden Fülle von Malerei muß ich alle Kräfte entfalten, um mein eigenes Werk vielleicht zu etwas Besonderem zu treiben. In dem Zustand des Sich-selbst-Überlassenseins trifft mich der Ruf der großen Beispiele, und dieser wird mir wie zu einem Leitstern auf meinem weiteren Weg.

Paris verlangt vom Maler die Hellsichtigkeit zu sehen, wo er selbst und die anderen stehen, und in diesem Sinne gibt Paris die Voraussetzungen, eine Malerei ‚in ihrem eigentlichen Sinn’ entstehen zu lassen.“


(Otto Greis, La Frette sur Seine, 11.Oktober 1961)