- 1949
- Frankfurt/Main, Zimmergalerie Franck
- 1952
- Frankfurt/Main, Zimmergalerie Franck
- 1954
- Frankfurt/Main, Zimmergalerie Franck
- 1959
- Stuttgart, Galerie Rauls
- Wuppertal, Galerie Parnaß-Jährling
- 1960
- Frankfurt/Main, Galerie Hudtwalker
- Frankfurt/Main, Galerie Appel
- 1962
- Mannheim, Städtische Kunsthalle
- Basel, Galerie B. Thommen
- 1963
- Frankfurt/Main, Galerie Appel
- 1966
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- 1967
- Paris, Galerie Synthèse
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- Köln, Kunstverein (m. Avramidis)
- 1968
- Karlsruhe, Badischer Kunstverein
- 1970
- Mannheim, Städtische Kunsthalle
- Kronberg/Taunus, Aquarelle
- 1974
- Paris, Galerie Roque
- Frankfurt/Main, Galerie Ostertag
- 1975
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- Frankfurt/Main, Galerie Ostertag
- 1978
- Bremen, Kunsthalle
- Kassel, Neue Galerie, Staatliche Kunstsammlungen
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- 1980
- Frankfurt/Main, Galerie Ostertag
- 1981
- Gießen, Oberhessisches Museum
- 1983
- Friedberg, Kunstverein
- Frankfurt/Main, Galerie Ostertag (m. Heinz Kreutz)
- 1984
- Wiesbaden, Museum, (m. K.O.Götz)
- 1985
- Mannheim, Städtische Kunsthalle
- Bremen, Galerie Katrin Rabus
- 1986
- Bad Homburg v.d.H., Sinclair-Haus
- 1988
- Frankfurt/Main, Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath
- Mainz, Landesmuseum
- Bremen, Galerie Katrin Rabus
- 1989
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- 1990
- Bremen, Galerie Katrin Rabus
- 1991
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch: Bilder
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch: Aquarelle
- 1992
- Speyer, Kunstverein
- Frankfurt/Main, Galerie Ostertag
- 1993
- Bremen, Galerie Katrin Rabus
- 1994
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch
- Frankfurt/Main, Stadt Frankfurt in Zusammenarbeit m. d. Galerie Appel&Fertsch, Karmeliterkloster
- 1995
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Fertsch, One-man-show, Art Frankfurt
- 1996
- Wuppertal, Von der Heydt-Museum
- Ludwigshafen, Kunstverein
- 1998
- Mannheim, Galerie Peter Zimmermann
- Frankfurt/Main, Bethmann Bank (m. Avramidis)
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Troschke
- 1999
- Frankfurt/Main, Bethmann Bank
- 2001
- Bremen, Galerie Katrin Rabus
- 2002
- Frankfurt/Main, Galerie Appel&Troschke
- Rodgau, Galerie Lessmann&Lenser
- 2003
- Darmstadt, Hessisches Landesmuseum
- Gießen, Oberhessisches Museum
- Ahlen (Westf.), Fritz Winter-Haus
- Diessen, Fritz Winter-Atelier
- 2004
- Wolfsburg, Städtisches Museum
- Rodgau, Galerie Lessmann&Lenser
- 2005
- Frankfurt/Main, Galerie Prestel
- Schweinfurt, Städtische Sammlungen
- Mainz, Landesmuseum
- 2006
- Hamm (Westf.), Lübke-Museum
fast schon eine schicksalhafte Begegnung
Barbara Auer: ... kommen wir zu einem bedeutenden Ereignis, Ihre Begegnung mit
Ernst Wilhelm Nay 1945.
Otto Greis: Es war schon fast eine schicksalhafte Begegnung. Durch Zufall traf ich in der Farbhandlung Niethammer in Frankfurt den Maler Nay. Ich erkannte ihn an seiner Feldtasche, auf der sein Name stand. Ich sprach ihn an und fragte ihn, ob ich ihn besuchen dürfe. Das war nach Kriegsende 1945, und die Besatzungszeit durch die Amerikaner hatte begonnen. Wegen der Ausgangssperre konnte man nur am Tag auf die Straße. Nay lebte damals in Hofheim. Als ich ihn zum erstenmal besuchte, war er krank. Er lag im Bett und hatte einen Bildband von El Greco vor sich liegen und begann mir die Bilder zu erklären. Die Art und Weise, wie er mir den Greco nahegebracht hat, das fand ich ungemein faszinierend; er öffnete mir damit kolossal die Augen. Nach diesem ersten Besuch bat er mich wieder zu kommen. Mit der Zeit entwickelte sich eine richtige Freundschaft. Vieles haben wir zusammen unternommen. Wir bauten zum Beispiel für seine Ausstellung in München bei Günter Franke die Kisten für den Transport der Bilder. Im Wald sammelten wir zusammen Holz, damit wir was zum Heizen hatten, es gab ja nichts in dieser Zeit.
Wir waren oft zusammen in Wiesbaden. Im Landesmuseum war das gesamte Kaiser-Friedrich-Museum von Berlin ausgelagert, um die Bilder vor den Russen in Sicherheit zu bringen. Direktor Holzinger vom Städel, der mir übrigens auch viel mit Restaurierungsaufträgen half, verwaltete die Sammlung und machte wunderbare Ausstellungen. Ganz Westdeutschland pilgerte dorthin; das war 1946 und der Kunsthunger war groß.
Barbara Auer: Sie haben auch zusammen mit Nay gemalt?
Otto Greis: Nein, das wäre unmöglich gewesen. Jeder arbeitete für sich in seinem Atelier. Aber Nay beschaffte auf dem Schwarzmarkt das Leinöl, Zahlungsmittel waren Zigaretten, meistens ein oder zwei Stangen. Farbpulver besaßen wir. Ich rieb dann nach der alten Methode mit einem Glasläufer die Farbe an und füllte sie in Marmeladengläser ab. Mit diesen Farben malte damals auch Nay. Wenn ich heute seine Bilder sehe, dann erkenne ich sofort diejenigen, die mit dieser Farbe gemalt sind an dieser typischen Eigenschaft der Farbe.
Barbara Auer: Es war für Sie also nach dem Krieg keine Frage, die Malerei weiter zu verfolgen?
Otto Greis: Das war keine Frage. Am Anfang nach dem Krieg verdiente ich mir den Unterhalt durch einige Verkäufe, aber hauptsächlich durch Restaurierungsarbeiten. Bis 1950 habe ich sehr viel restauriert. Ich stellte zum Beispiel dem Sammler Kurz, der mit seinen Bildern unter dem Arm gerollt, aus der ehemaligen Ostzone geflohen war, seine Sammlung wieder her. Die Gemälde waren in einem sehr schlechten Zustand. Beckmann, Kokoschka, Feininger, Macke mit denen habe ich richtig gelebt. Das war für mich ein großer Spaß. Ich kannte viele Arbeiten von Abbildungen, aber als Original waren sie ganz anders beeindruckend. Es war für mich eine große Freude diese Bilder bei mir an der Wand zu haben.
Barbara Auer: Diese Auseinandersetzung mit den „großen Namen“ der klassischen Moderne muß für Sie ein einmaliges Erlebnis gewesen sein.
Otto Greis: Für mich war das ganz wichtig. Sie kennen ja meine ganz frühen Bilder vor dem Krieg, meine damalige Orientierung an den Expressionisten, an Schmidt-Rottluff, die ist ja deutlich zu spüren. Später kam dann die Explosion des Informel, die ja schon 1951/52 einsetzte. Da flog dann erst mal alles, die ganze Vergangenheit, weg. Schultze und ich, wir waren die ersten in Deutschland, die das machten.
Auszug aus dem Interview O.Greis/B.Auer, 15.April 1996 in Ockenheim, abgedruckt in: Kat. Otto Greis, Kunstverein Ludwigshafen am Rhein e.V. 1996
Frühwerk
Otto Greis’ Bilder aus dem Zeitraum von 1945 bis 1951 können als sein Frühwerk betrachtet werden. Für die Beachtung dieser vielfach kleinformatigen Werke spricht ihre Gestaltung, die auf reflektierten bildnerischen Vorstellungen beruht. Die kunsttheoretischen Ideen, die Greis in dieser Zeit entwickelt, behalten als Grundanschauungen ihre Relevanz für sein weiteres Schaffen.
Die Werke zeigen, dass der Künstler die Bindung an den darzustellenden Gegenstand kontinuierlich dahingehend löst, so dass er lediglich als Anregung für die Formgebilde und den Bildaufbau dient.
Die Konzeption eines „Bildraumkörpers“1 von der Otto Greis erst 1960 explizit spricht, zeigt in seinem Frühwerk erste Formulierungen. Die malerische „Durchdringung mit der dritten Dimension“2 ist für ihn seit 1945/46 wesentlich.
Greis’ künstlerische Entwicklung von 1945 bis etwa 1948 erfährt entscheidende Impulse durch seine Freundschaft mit dem damals elf Jahre älteren Ernst Wilhelm Nay. Dessen Überlegungen zum aperspektivischen, autonomen Kunstraum, der, wie Otto Greis 1946 erklärt, „seinen Ursprung vollkommen in den Notwendigkeiten der absoluten Bildgestaltung hat“3, gibt ihm wertvolle kunsttheoretische Anregungen. Seine Wortwahl lässt zudem eine Auseinandersetzung mit Ansichten Wassily Kandinskys deutlich werden. Willi Baumeisters These: „Alles sichtbar Werdende tritt in ein Kraftfeld von Beziehungen (...). Alles Nicht-Notwendige [im Bild, Anm.d.V.] ist falsch“, wird Greis’ eigene Auffassung zusätzlich bestätigt haben.4 Otto Greis versteht unter dem Begriff der „Notwendigkeiten“ im Bild das kausale Bezugssystem der Elemente: Farbe, Form und Linie und eine damit einhergehende gestalterische Hermetik.
Die Kompositionen „Jethro“, oder „Boot“, beide von 1950, offenbaren eine Bildarchitektur, die vom Dualismus Raum und Flächenform bestimmt ist. Die winkligen, spitz ineinander greifenden Formen führen zu einer Bildebene, die wie „verfugt“ anmutet, so dicht und präzise sind die drei Bildmittel miteinander in Beziehung gesetzt. An den Werken lässt sich optisch erfahren, was der Künstler bereits 1946 notiert hat: „Kontinuierlich erschließt sich der gesamte Bildraum, der eine Einheit ist und keine Aufteilung in Gründe kennt, der Ausgleich des Dreidimensionalen mit der Fläche ist in ihm gestaltet, und die Statik des Raumes und die Dynamik der Zeit ist in ihm gesichert. Nichts kommt von außen her in das Bild hinein, noch ragt etwas aus ihm heraus in den Naturraum.“5
Die beispielhaft herausgegriffenen Werke zeugen von einer Orientierung am Kubismus. Greis’„kühle Abstraktionen“ lassen auch an die deduktive Malmethode Juan Gris’, oder an die Skulpto-Malereien Alexander Archipenkos denken.
Die Idee, das Bild vornehmlich aus einem Beziehungssystem von Farbe, Form, Linie und Raum heraus zu entwickeln, kennzeichnet allerdings nur eine Seite des Werkprozesses. Zahlreiche Arbeiten aus der Nachkriegszeit sind von der künstlerischen Absicht geprägt, einer inneren Anschauung bildhaft Ausdruck zu verleihen. Die chiffrenhaft reduzierte Formensprache von Bildern, wie z.B. „Nächtliche Zeichen“, oder „Quelle“, beide von 1951, machen die Vorstellungswelt des Künstlers intuitiv erfahrbar. In einem spielerisch-freien und malerischem Duktus entwirft der Künstler wesenhafte Formen, die bei dem Betrachter entsprechende Assoziationen hervorrufen. Greis’ Auseinandersetzung mit dem Werk Paul Klees ist offensichtlich. Klees Gedanken zum Bild, die er 1924 in dem Buch „Über moderne Kunst“ veröffentlicht hat, stellen für Otto Greis und viele seiner damaligen Künstlerkollegen eine wichtige Anregung dar. Mit Werner Haftmanns Künstlermonographie: „Paul Klee, Wege bildnerischen Denkens“, das 1950 erscheint, beschäftigt er sich intensiv. Hier begegnet Greis zum ersten Mal dem „Imago“- Begriff, wie ihn der Kunsthistoriker für die Bildwelten Klees interpretiert. Expressis verbis greift Otto Greis diesen Ausdruck erst 1962 auf, in Anlehnung an die Vorstellung, die „Imago als Wirkformel des Imaginativen“ und letztlich als das „Sein des Bildes“ zu verstehen6, und gibt ihm eine persönliche Nuancierung. Da sein „Imago“-Verständnis für das gesamte Oeuvre von fundamentaler Bedeutung ist, soll an dieser Stelle Greis’ Begriffsdefinition, die 1982 von der französischen Kunsthistorikerin Agnes Minazzoli schriftlich festgehalten wurde, zitiert werden:
„Der Begriff >>Imago<< bezeichnet weniger die in Erscheinung tretende Bildgestalt auf der Leinwand, als das Abstraktum einer Konzeption der Form, die der Maler hat, bevor er sie sichtbar macht.
Das Imago ist der >>Archetyp<< des Werkes, es ist der Ort einer geistigen Tätigkeit, die Geburtsstätte der schöpferischen Vorstellungskraft. Ein vorgestelltes Modell, bewusst(im Gegensatz zu diesem Begriff in der Psychoanalyse) enthält das Imago alle Elemente einer Formentstehung, da es doch die Uridee und der Prototyp der Form ist.
Jeder schöpferische Akt setzt eine geistige Teilnahme voraus. Malerei ist erst eine intellektuelle Aktivität, bevor sie die Arbeit an konkreten Formen ist. Das Imago unterscheidet sich also von der Bildgestalt, wie die Konzeption von einem Dreieck oder Linie sich von einem bestimmten Dreieck oder Linie unterscheidet. Das Bild ist eine wahrnehmbare Darstellung. Das Imago ist die Anwesenheit der Form im Geiste. Das Bild ist eine Wiedergabe, das Imago ist das Bauen oder Erschaffen von einem Modell. Noch mehr als die Bildgestalt zeugt das Imago von der schöpferischen Arbeit, von der Intensität einer Anwesenheit: nämlich der des Geistes, der sich selbst erschaut.“
Auf seiner Suche nach künstlerischer Authentizität genügen Otto Greis die erarbeiteten Bildlösungen nicht lange. Bereits im Spätherbst 1951 versucht er sich mit formnegierender Vehemenz von der Kunsttradition und ihren Vorbildern zu befreien.
1 Brief von Otto Greis an Karlheinz Gabler, 23.10.1960, zit. n. Kat. Landesmuseum Mainz 1989, Otto Greis. Retrospektive zum 75. Geburtstag, S.8
2 ebd., S.8
3 Brief von Otto Greis an Herrn Rohlf, Bad Soden, Jan. 1946, zit.n. Ulla Siegert, Otto Greis. Bildwirklichkeit und Poesie (Über Malerei Bd. 4), Aachen 2002, S.21
4 Willi Baumeister, Das Unbekannte in der Kunst, 2. Aufl. Köln 1960, S.174
5 Brief von Otto Greis an Herrn Rohlf, Bad Soden, Jan. 1946, a.a.O., S. 21
6 Werner Haftmann, Paul Klee. Wege bildnerischen Denkens, München 1950, S.133
Funktionales von Fleck und Strich
Kann die informelle Bildsprache zu einer bloßen Methode, zu einer „Mache“ werden? Gibt sie Raum für eine individuelle Aussage, für ein Bild, das unnachahmlich ist und etwas ganz Eigenes beinhaltet? Diese oder ähnliche Fragen werden Otto Greis 1953 beschäftigt haben, als er sich entschließt eine kleinformatige Bilderserie zu erarbeiten, die als
„Funktionales von Fleck und Strich – 75 Modulationen mit 2 Motiven“ betitelt ist.
Zwei Jahre nach „Claude“, 1951/52, dem ersten Bild einer ganzen Reihe von großformatigen, informellen Arbeiten, befallen Otto Greis Zweifel an seinem künstlerischen Weg. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit, beginnt Greis mit diesen 75 Modulationen die bildnerischen Möglichkeiten des Informel auszuloten.
Als Bausteine dienen Farbfleck und Farbstrich. Der Fleck als malerisches Element und der Strich oder die Linie als zeichnerisches Pendant. Als freie Formen tauchen das Runde und das Eckige auf. Ist der malerische Ansatz auch konzeptionell, so sind diese Papierarbeiten dennoch ganz dem Informel zuzurechnen, denn in ihnen manifestieren sich zwei grundlegende Gedanken dieser malerischen Richtung: der Prozessgedanke und die Nicht-Form, bzw. Formlosigkeit.
Die Bilder dienen dem Künstler nicht als Medium für die eigene Emotionalität, sondern sie sind Resultate spontaner Malaktionen mit reduzierten und zuvor festgelegten Mitteln. Die Farben der Serie sind auf Schwarz, Rot, Gelb und Weiß beschränkt. Die Kunsthistorikerin Ursula Geiger, die um Greis’ Interesse für Kunst und Kultur der Frühzeit und des Altertums weiß, bezieht diese Auswahl auf die Vier-Farbentheorie der griechischen Antike. Als Hauptfarben werden sie mit den vier Elementen: Erde, Wasser, Feuer und Luft in Verbindung gebracht.1
Den Künstler reizt das Experiment. Die Malereien werden, wie auch die großen Leinwände zuvor und später, bis an den „Rand des Abgrundes“ getrieben.2
Otto Greis bevorzugt eine Mischtechnik, die aus öligen Emulsionen und Temperafarben besteht und für sich bereits ein Spannungsgefüge bildet.
Kein Bild gleicht dem anderen. Trotz der Beschränkung auf das kleine Format, bestechen die Arbeiten durch immer neue Farb-Formspiele und überraschende Oberflächenstrukturen. Die malerische Freiheit, die sich in allen Modulationen und besonders in den letzten 10 Bildern manifestiert, lässt Ursula Geiger schlussfolgern: „ dass Greis (...) zum damaligen Zeitpunkt der offenen, nicht mit bestimmten Inhalten vorbelasteten Form den Vorrang gegenüber dem gesetzten Zeichen einräumte. Es ging ihm darum, eine Fülle von Möglichkeiten zu zeigen, allein mit den Mitteln des Informel den Entstehungsprozess der Formen, ihr Werden, ihre Entfaltung und Auflösung in einem ebenfalls bewegten, ‚atmenden’ Raum darzustellen d.h. etwas vom Geheimnis der Welt und des Lebens ins Bild zu bringen.“3
Nach dieser experimentellen Serie malt Otto Greis 1953 die großformatige Leinwand mit dem Titel „Ikarus“. Dieses Werk befindet sich seit 1958 in der Städtischen Kunsthalle Mannheim und gilt als ein Hauptwerk des deutschen Informel.
1 Ursula Geiger, Die Maler der Quadriga und ihre Stellung im Informel, (Diss.) Nürnberg 1987, S.195
2 Brief von Otto Greis an G. W. Költzsch, La Frette sur Seine 1982, zit.n. Kat. Otto Greis, Retrospektive zum 75. Geburtstag, Landesmuseum Mainz 1989, S.14
3 Ursula Geiger, a.a.O., S.195
Impressum
Bertrand Ferriot
104 rue de Charenton
75012 Paris
Kontakt
E-Mail: ferriot2@numericable.fr
Bildauswahl: Margaret Bolza-Greis
Bildunterschriften: Margaret Bolza-Greis, Timm Schneider
Konzeption und Texte: Ulla Siegert
Gestaltung: Timm Schneider
Technische Umsetzung: Guckelsberger Informationstechnik
Informell
<h4>1952 - 1953</h4>
Mit dem Jahreswechsel von 1951 auf 1952 erfährt das Werk von Otto Greis eine einschneidende Zäsur. Auf malerisch radikale Weise nimmt der Künstler Abstand von seinem bisherigen Schaffen. Zum ausschlaggebenden Erlebnis wird ein Besuch der „COBRA“- Ausstellung im Herbst 1951. Zuvor lernt Otto Greis in der Künstlergruppe um die Frankfurter Zimmergalerie Franck, in der er 1949 seine erste Einzelausstellung hat, Karl Otto Götz kennen. Gemeinsam wird über aktuelle Kunst diskutiert. Im damaligen besetzten Deutschland ist es allerdings nicht einfach über die Grenzen zu schauen, um sich an der internationalen Kunstentwicklung zu orientieren. Ludwig Baron Döry erinnert sich: „Von den ‚Frankfurter Tachisten’ aus gesehen, war die Galerie in zweierlei Hinsicht wichtig: einerseits bot sie den damals mittellosen Malern angemessene Ausstellungsmöglichkeiten, andererseits vermittelte sie durch Ausstellungen junger Künstler aus dem Ausland und durch Leseabende wertvolle Anregungen und Kontakte.“1
Karl Otto Götz ist seit 1949 Mitglied der Gruppe „COBRA“, zu deren Hauptvertretern Karel Appel, Asger Jorn, Corneille und Constant Nieuvenhuys zählen. Ihre revolutionäre Haltung resultiert aus der Ablehnung gegenüber tradierten Kunstformen und ästhetischen Vorstellungen. Das Experiment wird zum bildnerischen Mittel erhoben und der Automatismus dient als Methode. Ziel ist eine authentische Kunst, die für jeden über die Sinne erfahrbar ist.
Mit einem selbst zusammengebauten Motorrad fährt Otto Greis, mit K.O. Götz im Beiwagen, nach Lüttich und besucht die dortige „COBRA“-Ausstellung im Grand Palais. Dieses Erlebnis schildert Greis folgendermaßen: „ (...) die Tatsache, dass hier Auflehnung spürbar wurde, hatte auch bei mir zur Folge, dass ich zunächst mein lange diszipliniertes Arbeiten über Bord warf, mir also der Kragen platzte (...). Diese Eruption hatte einmal den bewussten Sinn, belastende Vorbilder abzuschütteln. Des weiteren war es die Lust am Experiment, das ‚Bild’ an den Rand seiner Möglichkeiten zu treiben; es war ein wirkliches Abenteuer mit den Mitteln der Malerei.“2
Als erste Reaktion entsteht noch im Winter 1951/52 das Bild „Claude“. Die schwarzen Pinselschwünge erinnern an vorangegangene Werke, dienen aber lediglich der Komposition ohne tieferen Bedeutungsgehalt. In den folgenden Werken vermeidet der Künstler zunehmend beschreibbare Formen und gelangt zu einer schier unlösbaren innerbildlichen Verwobenheit, in der der Farbfleck, der „tache“, zum bestimmenden Element wird. Mit dem Begriff Tachismus, der auf diese spezifische Malweise zielt, sind Greis’ Bilder von 1952 und 1953 treffend charakterisiert. Der Künstler konzentriert sich vornehmlich auf die Farbe, die mal stumpf, wie pulverisiert und mal ölig in der Konsistenz ist und zu einem Ausdrucksmittel seiner Emotionalität gerinnt. Die Begegnung mit den „COBRA“-Künstlern gibt Otto Greis den entscheidenden Impuls sich in künstlerisches Neuland vorzuwagen. Für die Bildgestaltung sind ihm aber auch Überlegungen Paul Klees, mit denen er sich bereits in den 40er Jahren auseinandergesetzt hat, wichtig. Seine Idee, ein Bild nur aus Farbflecken zu entwickeln wird für Greis richtungsweisend. Rückblickend erklärt er dazu: „Also im Bereich des Bildnerischen ein Abenteuer ins Unbekannte mit den Mitteln der Malerei. Geschüttete Flecken und Tropfen aus Farbe waren die ‚Bauelemente’, die struktural und rhythmisch verwendet werden konnten, ein spontanes, doch völlig konkretes Vorgehen, mit diesen neuen Bausteinen eine Bildwelt zu erschaffen, ohne Absicht auf eine literarische oder romantische Richtung.“3
Das Bild „Claude“ markiert einen künstlerischen Wendepunkt. Otto Greis erklärt 1996: „Für mich war das Informel eine Notwendigkeit, die Vergangenheit wegzuschlagen. Alles was vorher war, das hat doch sehr belastet. Ob das Picasso war, Schmidt-Rottluff oder Nay, das musste in erster Linie erst mal weg. Sicher, später kam ich dann wieder darauf zurück, aber auf einer ganz anderen Basis. Das Neuland, das Wagnis, sich einer neuen Sache auszusetzen, das ist damals der entscheidende Schritt gewesen.(...) Schultze und ich, wir waren die ersten in Deutschland, die das machten.“4
Das Jahr 1952 ist für Otto Greis besonders schöpferisch. Er entwirft neben „Claude“ noch zehn weitere große Leinwandbilder. Hervorzuheben sind z.B. „Die Hexe“, „Paar“ und „Blauer Aufbruch“, die der Künstler anlässlich der Quadriga- Ausstellung im Dezember 1952 in der Zimmergalerie Franck zeigt. Bereits im Oktober 1952 erscheint in der französischen Zeitschrift „Premier bilan de l´art actuel, ein Text zum Künstler und eine Abbildung von „Agonie“, das er im März/April des Jahres gemalt hat.
Die informellen Werke von Otto Greis beeindrucken durch ihre ausgesprochene Dynamik. Der Künstler beherrscht die Klaviatur farbimmanenter Wirkungen. Aus einem farblich vielfach überlagerten Grund, leuchten z.B. hellste Farbflecken hervor, die den Blick des Betrachters an sich binden und zugleich durch das pulsierende Farbenmeer leiten. Farbpolaritäten, wie Leicht-Schwer, Warm-Kalt, Hell-Dunkel, nutzt der Künstler um „dimensionslose“ Bildräume zu entwickeln. Als „implosive Tiefenschichtung der Farbmassen“5 charakterisiert Christa Lichtenstern diese Oberflächenstruktur, die immer wieder Durchblicke auf tiefer gelegene Farbschichten freigibt. Die Vernetzung der Farben, ihre fortwährende Übergänglichkeit lässt eine entsprechende dynamische Bildräumlichkeit entstehen. Otto Greis, wendet sich zwar von künstlerischen Vorbildern ab und räumt dem Zufall und dem Experiment Platz ein, aber er verfolgt malerisch weiterhin seine Auffassung vom Bild als eigenständigem Organismus bzw. „Bildraumkörper“6. Seine tachistischen Werke zeugen von einer Auseinandersetzung mit den Bildmitteln, die seine gesamte Aufmerksamkeit fordert. Im Gegensatz zu Künstlern, die sich dem Surrealismus verpflichtet fühlen, lehnt Greis daher für sich die Idee eines Automatismus ab.
Mit dem Werk „Ikarus“, im epischen Querformat von 118 x 180 cm, gelingt Otto Greis 1953 ein Hauptwerk des deutschen Informel. Vielfach ist von der kosmischen Anmutung dieses Bildes gesprochen worden. Dieser Eindruck resultiert aus dem Zusammenspiel von intensiv leuchtenden Blautönen und einer Oberflächenbeschaffenheit, die von zahlreichen Zerstörungsprozessen und Übermalungen zeugt. Auf der Einladungskarte zu Otto Greis’ Einzelausstellung 1962 in der Kunsthalle Mannheim heißt es: „Der Künstler arbeitet wie folgt: Er legt die mit Reispapierfaser präparierte Leinwand auf den Boden und ließ von oben Ölfarbe, Ei-Emulsion und Asphaltlack darauf tropfen. Das Ergebnis ist durchaus kein zufälliges, in der Anordnung der Farben erkennt man vielmehr eine ausbalancierte Verteilung. (...) Greis betitelt sein Werk ‚Ikarus’. Dieser wollte, der griechischen Mythologie nach, bis zur Sonne fliegen. So wie hier im Bild muß sein Erlebnis des Kosmos gewesen sein.“7
Otto Greis letztes informelles Leinwandbild, bezeichnenderweise „Semeles Abschied“ genannt, entsteht im August/September 1953. Danach verarbeitet der Künstler noch ein Jahr lang seine gesammelten bildnerischen Erfahrungen auf Papier. In diesen Gouachen ist die Farbigkeit zurückgenommen und die Geste tritt als bildbestimmendes Element in den Vordergrund. Eine kunsthistorische Würdigung dieser expressiven Blätter steht bislang noch aus.
Für Greis bedeutet das Informel nur eine kurze Experimentier- und Befreiungsphase, „ein Sprung ins unbekannte Wasser, mit dem Bewusstsein schwimmen zu können, um auch wieder an das unerlässliche Land zu kommen“8, wie der Künstler es 1983 rückblickend formuliert. Frühzeitig erkennt er die Gefahr der Anonymität, zu der diese Arbeitsweise führen kann. Ende der 50er Jahre, als sich das Informel sozusagen als „Malstil“ auch in Deutschland durchgesetzt hat, wird dieses Problem offensichtlich. 1958, als Otto Greis bereits in Frankreich lebt, versucht er auf die immer wieder kehrende Frage, weshalb er sich malerisch neu orientiert hat, zu antworten: „Gegen die Form, die andere uns auferlegt haben, richtet sich unsere Auflehnung: das Anerkannte in Frage zu stellen – doch ist das Revolutionäre, wenn es sich in der Arbeit einstellt, nur die erste Stufe auf dem Wege der Gestaltung. Seine Vollendung steht außerhalb der Betrachtung. Damit will ich die Bedeutung, die diesem Beginn zukommt und gleichzeitig das Unzureichende dieser untersten Stufe der Gestaltung näher bestimmen. Revolutionen sind notwendig; sie machen, wie überall in der Natur einen Keim frei. Darin liegen ihre Bedeutungen und ihre Begrenzungen. Reine Entladungen (Naturalismus des Zufalls in Schleudermanier) kommen über die Feststellung einer Tatsache nicht hinaus. Von hier aus Brücken der Rechtfertigung zu den gegenwärtigen physikalischen Erkenntnissen zu schlagen, würde nur auf eine Wertung im Sinne der Brauchbarkeit von Malerei verweisen.
Auch das Informel kann diese Begrenzung nicht verlassen. Dies zum Verständnis meines bisherigen Weges.“9
Für Otto Greis, der seit Anfang der 50er Jahre regelmäßig Paris als Zentrum der internationalen Avantgarde besucht, wird es immer wichtiger eine eigene künstlerische Position zu beziehen. Mit kritischem Blick erkennt er die zahlreichen Epigonen, die sich der Machart des Informel bedienen, während er selbst ab 1955 nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten sucht. Wieder beginnt eine intensive Auseinandersetzung mit der Kunsttradition. Greis besucht regelmäßig den Louvre und das Jeu de Paume. Außerdem trifft er Künstlerkollegen, wie Tal Coat, Van Velde, Le Moal, Ubac, Soulage, um über aktuelle Themen zu diskutieren. Das Informel gibt Otto Greis die Freiheit sich neu zu orientieren und „belastende Vorbilder abzuschütteln“10. Für sein zukünftiges Werk führt es ihn zu der Erkenntnis, dass der Zufall im Bild, als eine „fruchtbare Störung“11 aufgefasst, durchaus produktiv sein kann.
Otto Greis löst sich Mitte der 50er Jahre vom Informel, auf der Suche nach einer eigenen Formensprache, die essentiell mit der Bildaussage verbunden sein soll.
1 Heinz Ohff, Die Quadriga oder die Deutschen fünfziger Jahre, 2. Die Kunst, in: Kat. Frankfurter Kunstverein 1972, o.Pag
2 Brief von Otto Greis an Ursula Geiger, La Frette sur Seine, 13.1.1983, zit. n. U. Geiger, Die Maler der Quadriga und ihre Stellung im Informel, (Diss.), Nürnberg 1987, S.75
3 Brief von Otto Greis an Arnulf Herbst, La Frette sur Seine, 26.5.1984, zit. n. Kat. Landesmuseum Mainz, Otto Greis. Retrospektive zum 75. Geburtstag, 1989, S.17
4 Interview Otto Greis/Barbara Auer, 1996, Kat. Otto Greis, Kunstverein Ludwigshafen a.Rh. e.V., 1996, S.9
5 Christa Lichtenstern, Strahlungsmacht Bild, In der Nachfolge Cézannes: Otto Greis wird achtzig, in: FAZ, 28.9.1993, S.35
6 Brief von Otto Greis an Kh. Gabler, 1960, zit. n. Ulla Siegert, Otto Greis. Bildwirklichkeit und Poesie (Über Malerei Bd.4), Aachen 2002, S.26
7 Einladungskarte mit Abbildung von „Ikarus“, 1953, zur Einzelausstellung in der Kunsthalle Mannheim, 1962, bezeichnet mit B.O.
8 vgl. Anm. 2, Brief von Otto Greis an Ursula Geiger, 1983, S.75
9 Otto Greis, November 1958, abgedruckt in: Blätter und Bilder, Nr.10, Sept./Okt. 1960, S.72
10 vgl. Anm. 3, S. 17
11 vgl. Anm. 3, S.17
Leben und Werk
- 28.8.1913
- Otto Greis wird in Frankfurt am Main geboren
- 1932 – 1934
- Beginn eines Maschinenbaustudiums in Frankfurt. Otto Greis lernt während dieser Zeit einen ehemaligen Schüler Karl Hofers kennen. Fasziniert von der Idee, in der Kunst seine eigene Welt gestalten zu können, beschließt er, Maler zu werden und bricht seine Ingenieurslaufbahn ab.
- 1934 – 1938
- Privater Mal- und Zeichenunterricht bei Johann Heinrich Höhl, der sein Atelier in der Städelschule in Frankfurt hat.
- Die Sommermonate verbringt Greis häufig in Ostfriesland und im Alten Land. Hier kauft er sich ein kleines Ruderboot und malt vom Wasser aus. Es entstehen expressive Landschaftsaquarelle von leuchtender Farbigkeit.
- 1939 – 1945
- Während des Zweiten Weltkrieges dient Otto Greis als Sanitätssoldat. Ein Band von Laotse und Prosa von Goethe im Frontgepäck helfen ihm die Kriegsschrecken zu ertragen.
- 1945 - 1951
- Die zufällige Bekanntschaft mit Ernst Wilhelm Nay ist für Greis’ malerische Entwicklung von besonderer Bedeutung. Bis 1948 hält ihr enger Austausch über gestalterische Fragen an. Die beiden Künstler unternehmen gemeinsame Besuche u.a. im Wiesbadener Landesmuseum, in dem zu dieser Zeit noch die Sammlung des Berliner Kaiser-Friedrich-Museums aufbewahrt wird. Greis’ frühe Nachkriegsbilder lassen seine Auseinandersetzung mit Klee und Cézanne, als auch eine künstlerische Verwandtschaft mit Nay erkennen.
- 1951
- Mit dem Motorrad fahren Greis und Karl-Otto Götz anfang Oktober zur zweiten großen COBRA-Ausstellung nach Lüttich. Für Greis ist es ein Schlüsselerlebnis. Nach einem Abstecher in Paris beginnt er noch im Dezember des Jahres mit seinem Bild „Claude“, in dem bereits deutlich eine formauflösende und farbexpressive Bildsprache anklingt.
- 1952 – 1954
- Vom Frühjahr bis zum Sommer 1952 entstehen die Werke : „Agonie“, „Paar“, „Pan im Feuerbrunnen“, „Jardin Volcanique“, „Blauer Aufbruch“, „Herz der Steinblume“, „Jardin des Hiboux“ und „Uranus blüht“.
- In der sogenannten „Quadriga-Ausstellung“ im Dezember 1952, in der Zimmergalerie Franck, präsentiert Greis gemeinsam mit Bernard Schultze, Karl-Otto Götz und Heinz Kreutz einige seiner informellen Arbeiten erstmals der Öffentlichkeit. Mit dieser Ausstellung findet die deutsche Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Anschluss an die internationale Avantgarde.
- 1955 –1956
- In jedem Frühjahr und Herbst lebt und arbeitet der Künstler für einige Monate in Paris. Die Suche nach einer eigenen, unnachahmlichen Aussage in der Malerei, veranlasst Greis sich mit frühgeschichtlichen und exotischen Kulturen zu beschäftigen. Aus diesem Grund besucht er häufig das Pariser Musée de L’Homme.
- 1957 / 58
- Im Herbst 1956 macht Otto Greis erste Versuche mit dick aufgeschichteter Malmaterie. Beabsichtigt ist, mit der zum Relief verdichteten Farbe, Perspektivwirkungen entgegen zu arbeiten und die dritte Dimension wieder als Flächendimension in das Bild einzubeziehen.
- 1957
- Otto Greis zieht endgültig nach Frankreich. Er lebt und arbeitet zunächst in einem alten Haus in La Frette sur Seine auf der Höhe von Argenteuil. Ganz bewusst entzieht er sich damit der deutschen Kunstszene, in der er auch weiterhin als informeller Maler gilt. Neben den Materiebildern arbeitet er an einer Reihe von Tuschezeichnungen mit Lavierungen. Inspiriert von den hellen Schwingungen des Lichts an der Seine, möchte er der Farbe wieder zu mehr Aussage und subtilerer Wirkung verhelfen.
- 1959
- Werke wie „Sémiramis“ oder „Daphne“, beide von 1959, weisen in ihrem lockeren Duktus und ihrer hellen Farbpalette, auf die neue Gestaltungsabsicht und die Hinwendung des Malers zum Licht hin. Beeindruckt von seinem Erlebnis 1958, wie in der gotischen Kathedrale von Soisson das Licht als ein „Bauteil“ an der Architektur teilnimmt, begreift Greis fortan Licht auch funktional als ein bildnerisches Gestaltungsmittel.
- Von 1960 bis ca. 1965 nimmt Otto Greis an den „Rencontres de Montrouge“ (auch „ligne 4“ genannt) im südlichen Stadtviertel von Paris teil. Initiator ist der Kunstkritiker Roger van Gindertael. Diskutiert wird über Kunst, aktuelle Ausstellungen und die „Salons“, an denen Greis seit 1961 regelmäßig teilnimmt. Der künstlerische Austausch mit den befreundeten Bildhauern Raoul Ubac und Maurice Lipsy ist für Greis, der in seinen Bildkompositionen immer um die Einbeziehung der dritten Dimension bemüht ist, bereichernd.
- 1960 – 1962 / 63
- Es entsteht eine Reihe von Werken, deren Helligkeit kaum mehr zu steigern. Aufgrund dieser „Überstrahlung“ (Greis, 1995) ändert der Künstler seine Bildsprache ab 1963 dahingehend, dass er wieder verstärkt plastische Volumen und räumliche Tiefen herausarbeitet.
- 1964 - 1968
- Mit dem Bild „Ode“ von 1963 beginnt eine Werkphase, in der die Bildfläche geradezu „skulptural“ durchgestaltet wird. Die Passage, aus der Farbmodulation entwickelt, dient dazu, verschiedene Raumebenen miteinander zu verknüpfen und die Formen und das Licht in fortwährender Verwandlung erscheinen zu lassen. Die Farbigkeit der Bilder ist von der Ufervegetation an der Seine inspiriert. Die dortigen Licht- und damit verbundenen Farbveränderungen je nach Tages- oder Jahreszeit hat der Künstler direkt vor Augen und spürt in seiner Malerei einem analogen Prinzip der Verwandlung nach.
- 1969 – 1987
- Der malerische Umschwung geht mit einer Veränderung der Lebenssituation einher. Hatte Greis in den 60er Jahren zahlreiche Reisen nach Italien unternommen, um u.a. die frühe Renaissancekunst zu studieren, oder sich in Frankreich mit der romanischen Reliefplastik auseinanderzusetzen (u.a. deshalb besucht er in Paris auch häufig das Musée des Monuments historiques), bereist er bis 1983 jährlich, für mehrere Monate, das Mittelmeer. Die Ballearen, in den 70er Jahren noch vom Massentourismus verschont, sind Ziel dieser Schifftörns. Greis entwickelt ein äußerst subtiles Farblicht, das mittels eines luziden Bildaufbaus (zumeist sind es mindestens 10 Schichten, die sich überlagern und teilweise durchdringen) gesteigert wird und dem Betrachter entgegen leuchtet.
- 1983
- Umzug nach Ockenheim am Rhein. Das Boot wird aufgegeben. Nun lebt und malt Otto Greis die Frühjahrs- und Sommermonate hindurch in Alcudia de Guadix, einem Dorf in der Gebirgsregion der Sierra Nevada. Noch bis 1987 bleibt die Bildstruktur von den schleierhaften Lichtvisionen der Bootsfahrten bestimmt. Formen im Werden und Vergehen, nicht deutlich greifbar und erklärbar, charakterisieren diese Bilder, und offenbaren einmal mehr die künstlerische Absicht, dem grundsätzlichen Prinzip der fortwährenden Gestaltverwandlung Ausdruck zu geben.
- 1987 – 1999
- In einer Reihe kleinformatiger Bilder, die unter dem Namen „Alhamilla-Serie“ zusammengefasst werden, entwickelt Otto Greis bis etwa 1990 ein neues Formenrepertoire. Die Landschaft Südspaniens, in der er seit drei Jahren für Monate lebt, gewinnt zunehmend an künstlerischer Bedeutung. Gestalterische Grundelemente wie Kreisformen und Geraden bilden das strukturale Gewebe, in dem sich das Spannungsverhältnis der Bildmittel formuliert.
- 2000
- Otto Greis unterzieht sich einer Augenoperation.
- 1999 – 2001
- Vom Winter 2000 bis Frühjahr 2001 entstehen drei großformatige Werke, deren weich-modulierende Formensprache und Helligkeit eine neue Herangehensweise an das bekannte Thema ankündigen. In der plastischen Durchdringung des Bildraumes und der nuancierten Herausarbeitung des Bildlichtes ist die Verwandtschaft mit Werken der frühen sechziger Jahre spürbar. In ihrer poetischen Wirkung geben sie Greis’ Anliegen Ausdruck: „stets das Maß zu finden für eine Harmonie, um mit dieser konkreten Metrik die Welt einer Verzauberung anzurufen.“ (1984)
- 30.3.2001
- Otto Greis stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls.
Licht
„Die Malerei von Otto Greis
Vom Licht erzählt, in der Sprache des Lichtes. Ein Inneres an Licht. Aber das sehr Besondere an diesem Licht: selbst die Erinnerung an das Feuer hat es verloren. Ganz ruhig, gebändigt, ganz eingetaucht in den Logos.
In Wahrheit verbirgt sich in diesem Licht ein Mensch – ein Mensch, der es lebt in seinem eigenen Rhythmus und seiner inneren Substanz gemäß. Kein Wink, kein Ruf an den Betrachter.
Eine Stille, erfüllt mit einer <<anderen>> Musik, die das Schauen einwiegt, es möchte verweilen, langsam durchdringt es die Glut wortlosen Gelöstseins.“
Michel Seuphor, 1974
Bereits die frühen Landschaftsaquarelle von Otto Greis aus den 30er und 40er Jahren zeigen eine bemerkenswerte Helligkeit und Leuchtkraft, die vornehmlich auf ihre expressive Farbwahl zurückzuführen ist. Die Ausdruckskraft der informellen Bilder entwickelt sich primär aus dem Spannungsgefüge von Licht und Dunkelheit. Der abstrakt aufgefasste Prozess des Leuchtens und Verdunkelns führt zu einer metamorphen Farbe- und Formensprache, die auf künstlerischer Ebene der Idee Ausdruck gibt, die Natur in ihren Erscheinungen als fortwährend veränderlich zu begreifen.
Das Bildlicht, das seit Ende der 50er Jahre die Werke von Otto Greis prägt, ist in seiner Erscheinung ein ganz anderes. Der Künstler definiert es als ein „Bauelement“ seiner Bildstrukturen. Seine Herausarbeitung trägt entscheidend zur künstlerischen Absicht bei, einen in sich logischen, autonomen Bildraum zu gestalten, der durch das multiple Beziehungsgeflecht von Farbe, Form, Raum und Licht seine spezifische Bildwirklichkeit entfaltet.
Ein besonderes Erlebnis gibt dem Künstler 1959 die entscheidende Anregung das Licht als ein weiteres Bildelement miteinzubeziehen: „ Es war an einem Vorfrühlingstage zur Mittagsstunde, das Hauptportal der Kathedrale von Soisson war weit geöffnet, um die erste Wärme in das Bauwerk zu lassen. Ich stand an diesem Portal und beobachtete das Licht, das durch die hohen Fenster an den Kannelierungen der Säulen herniederfloß und in den Dunkelheiten versickerte. Mein Auge saugte sich fest an den vielen der hellsten Punkte, die in bestimmten Verhältnissen zueinander standen, von denen Apsis und Chor ausgespannt waren. Nun setzte ich Fuß vor Fuß quer zum Portal und dabei die Lichthöhen nicht aus den Augen lassend, wahrnehmend, wie immer neue Verspannungen sich bildeten. Hier begriff ich, in welch kühner und genialer Weise das Licht als Element, als Bauteil, mit dieser Architektur verschmolzen war und das dies nur in einem auf das Licht miteinbezogenem Organismus möglich ist. Ich begriff, um Licht in einem Bilde als konstruktives Element zu veranschaulichen, braucht es etwas an dem es sich niederschlägt und so als Bauteil am Bildorganismus teil hat, wenn es nicht bei einem bloßen Aufleuchten bleiben soll.“1
Von diesem Zeitpunkt an, findet die Farbe Schwarz in Greis’ Bildern keine Verwendung mehr. Licht wird aus Farbe gestaltet und analog dazu auch Dunkelheit. Die Hinwendung zur Helligkeit, die das Werk ab 1958/59, nach einer Phase von düsteren, dunkelfarbigen Materiebildern charakterisiert, kann auch im Zusammenhang mit dem Umzug des Künstlers nach Frankreich gesehen werden.
Anlässlich der Jubiläumsausstellung zu Otto Greis’ achtzigstem Geburtstag in der Frankfurter Galerie Ostertag, skizziert Christa von Helmholt einen anschaulichen Eindruck seiner Werke und damaligen Lebenssituation: „ Drei (...) [Jahrzehnte, Anm.d.Verf.] hat der Frankfurter Maler im Seine-Becken bei Paris verlebt. Wo schon die Impressionisten etwas von der entmaterialisierenden Bedeutung des Natur-Lichtes erfuhren und Claude Monet auf seinem Hausboot herumtrieb, entwickelte Otto Greis aus den dunklen Abgründen seiner frühen Nachkriegstafeln, diesen Reflexen auf das gerade beendete mörderische Geschehen, deren immaterielle, einzig vom Licht gestaltete Gegenwelt. Zu Rhythmen geordnet, formen seitdem Strahlenbündel mit der Dynamik der einstigen Farbströme jene hellen, transparenten Bilder, die Greis „Lichtraumkörper“ nennt, autonome, aus sich selbst heraus funktionierende Gebilde. Nicht das Licht als Beleuchtung ist Thema seines Werkes. Mit prismatischen Strukturen in feinsten Abstufungen von nur zwei bis vier Farben feiert er das Licht in seiner bestimmenden Bedeutung für die Malerei.“2
Greis’ Sensibilität für das Licht, das ihn in La Frette, oder auf seinen Bootsreisen im Mittelmeer und schließlich in den 90er Jahren in Alcudia di Guadix, wo er mehrere Monate des Jahres verlebt, umgibt, drückt sich mittels einer luziden, von Werkphase zu Werkphase wechselnden Farbigkeit aus. Besonders die Bilder der 70er und 80er Jahre offenbaren eine Entwicklung dahin, Farben zu verwenden, die, im Goethischen Sinne interpretiert, bereits einen „Lichtwert“ besitzen. Hellste Weißmodulationen vermitteln in den 70er Jahren einen Eindruck von unfarbigem Licht. Während der Künstler im darauffolgenden Jahrzehnt eine als „coloristische Chromatik“3 zu beschreibende Farbigkeit entwickelt. Das Bildlicht geht aus der Eigenhelligkeit aller Bildfarben, die mehrheitlich der blau-roten Seite der Farbskala entlehnt sind, hervor.
Zur Verbindung von Farbe und Licht erklärt Otto Greis 1995: „Und was die Lichtfülle der mittelmeerischen Welt betrifft, es ist ein durch die italienische Malerei auf uns überkommenes großes Erbe der Verzauberung. Dieser farbige Kosmos, der mich umgibt, das Erscheinenlassen farbiger Phänomene, die spezifische Transparenz, kommen meinem Verlangen entgegen in den räumlichen Gliederungen des Bildlichtes, die Farbe zu einer essentiellen Aussage zu erheben.“4
Greis’ bildnerische Absicht zielt auf Synthese. Dem Bildlicht wird daher ebenso wie der Farbe, aus der es gestaltet ist, dem Raum und der Form, die Aufgabe zuteil, im Hinblick auf die autonome Komposition, das jeweils andere Element mit herauszubilden. In diesem Sinne sind seine folgenden Gedanken zu verstehen: „Ich möchte eine Malerei, in der Form und Licht eins werden. Die Form aus Elementen, Licht in Elementen, die Form erst im Licht real werdend, die Farbe erst im Licht real werdend.“5
Otto Greis entwickelt „aus dem Verwandlungspotential der bildnerischen Mittel heraus“6, Bildkompositionen, die von einem vitalen Form- und Lichteindruck bestimmt sind. Der Künstler spürt dem allgemeinen Prinzip der Verwandlung, das er in der Natur auf vielfältige Weise erlebt, nach. Er entwirft seit 1959 bis zum Ende seines Lebens, vom konkreten Erlebnis distanziert, Bilder, die auch als Metamorphosen des Lichts interpretiert werden dürfen.
1 Brief von Otto Greis an Ulla Siegert, Ockenheim 25.12.1995, zit.n.: Ulla Siegert, Otto Greis. Bildwirklichkeit und Poesie, (Über Malerei Bd.4), Aachen 2002, S.37
2 Christa von Helmholt, Otto Greis. Feier des Lichts, in: FAZ, 28.9.1983
3 Ernst Strauß, Koloritgeschichtliche Untersuchungen zur Malerei seit Giotto und andere Studien, zit.n. L. Dittmann, Farbgestaltung und Farbtheorie in der abendländischen Malerei, Darmstadt 1987, S.261
4 Brief von Otto Greis an U. Siegert, Alcudia de Guadix, 1.11.1995, zit. n.: Ulla Siegert, Otto Greis. Bildwirklichkeit und Poesie, a.a.O., S.59
5 Otto Greis, undatierte Äußerung, ebd., S.39
6 Christa Lichtenstern, Metamorphose. Vom Mythos zum Prozessdenken. Ovid-Rezeption, Surrealistische Ästhetik, Verwandlungsthematik der Nachkriegszeit, Bd. 2, Weinheim 1992, S.390
Literatur (Auswahl)
Ausstellungskataloge zu Einzel- und Quadriga-Ausstellungen
- Ausst. Frankfurt a. M. 1954
- Otto Greis. Dritte Einzelausstellung, In der Zimmergalerie Franck, Text v. E. Jaguer, Frankfurt a. M. 1954
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1956
- K.O. Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz, Bernard Schultze, Frankfurter Kunstverein, Text v. C. Gravenkamp, Frankfurt 1956
- Ausst. Kat. Wuppertal 1959
- Otto Greis. Galerie Parnaß-Jährling, Text v. H. Fuchs, Wuppertal 1959
- Ausst. Kat. Frankfurt 1959
- Quadriga 52 - Tachismus in Frankfurt. Kreutz, Götz, Greis, Schultze, Historisches Museum, Text v. L. Baron Döry, Frankfurt a. M. 1959
- Ausst. Kat. Mannheim 1962
- Otto Greis, Städtische Kunsthalle Mannheim, Text v. H. Fuchs, 1962
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1967
- Otto Greis. Bilder 1963 - 1966, Galerie Appel und Fertsch, Text v. M. Hölzer, Frankfurt a. M. 1967
- Ausst. Kat. Karlsruhe 1968
- Otto Greis. Gemälde, Zeichnungen. Badischer, Kunstverein Karlsruhe, Text v. G. Bussmann, M. Seuphor, Karlsruhe 1968
- Ausst. Kat. Mannheim 1970
- Otto Greis. Neue Aquarelle 1968 - 1970, Städtische Kunsthalle Mannheim, Text v. G. Ladstetter, Mannheim 1970
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1972
- Quadriga. Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz, Bernard Schultze. Bilder 1952 - 1972, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt a. M. 1972
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1972
- Quadriga 1952 - Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz, Bernard Schultze. Aquarelle - Zeichnungen - Gouachen, Galerie F.A.C. Prestel, Frankfurt a. M. 1972
- Ausst. Kat. Paris 1974
- Greis. Peintures 1970 - 1974, Galerie Roque, Text v. R. Gindertael, Paris 1974
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1975
- Greis - Kreutz - 9 Aquarelle 1969 - 9 Farbstiftzeichnungen 1964, Galerie F.A.C. Prestel, Frankfurt a. M. 1975
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1975
- Otto Greis. Bilder der 50er Jahre, Galerie Hans Ostertag, Text v. Kh. Gabler, Frankfurt a. M. 1975
- Ausst. Kat. Bremen und Kassel 1978
- Otto Greis. Gemälde, Aquarelle, Handzeichnungen. 1946 - 1977, Kunsthalle Bremen und Staatliche Kunstsammlungen Kassel, Text v. G. Busch, W. Haftmann, Bremen 1978
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1980
- Otto Greis. Malereien, Aquarelle aus den Jahren 1971 - 1979, Galerie Hans Ostertag, Text v. G. Busch, M. Seuphor, Frankfurt a. M. 1980
- Ausst. Kat. Gießen 1981
- Otto Greis. Malereien, Aquarelle aus den Jahren 1965 - 1979, Oberhessisches Museum Gießen, Text v. G. Busch, F. Häring, M. Seuphor, Gießen 1981
- Ausst. Kat. Wiesbaden 1984
- K.O. Götz. Otto Greis, Museum Wiesbaden, Kunstsammlungen, Text v. I. Mössinger, A. Herbst, Wiesbaden 1984
- Ausst. Kat. Mannheim 1985
- Otto Greis. Bilder, Aquarelle und Zeichnungen aus den Jahren 1970 - 1985, Städtische Kunsthalle Mannheim, Text v. G. Ladstetter, Mannheim 1985
- Ausst. Kat. Mainz 1989
- Otto Greis: Retrospektive zum 75. Geburtstag, Landesmuseum Mainz, Texte v. O. Greis, H. Fuchs, W. Haftmann, F. Häring, G. Ladstetter, U. Wieczorek, Mainz 1989
- Ausst. Kat. Speyer 1992
- Otto Greis. Handzeichnungen, Kunstverein Speyer, Text v. U. Geiger, Speyer 1992
- Ausst. Kat. Frankfurt 1992/93
- Quadriga - Eine Reminiszenz, Galerie Ostertag, Frankfurt 1992/93
- Ausst. Kat. Bremen 1993
- Otto Greis. Bilder 1989 - 1992, Galerie Katrin Rabus, Text v. L. Dittmann, Bremen 1993
- Ausst. Kat. Wuppertal 1996
- Otto Greis, Von der Heydt Museum Wuppertal, Text v. L. Dittmann, Frankfurt a.M. 1996
- Ausst. Kat. Ludwigshafen 1996
- Otto Greis, Kunstverein Ludwigshafen am Rhein e.V., Interview O. Greis / B. Auer, Text v. U. Siegert, Mannheim 1996
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 1996/97
- Quadriga. Karl Otto Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz, Bernard Schultze, Frankfurter Sparkasse Kundenzentrum, Frankfurt a. M. 1996
- Ausst. Kat. Frankfurt a. M. 2002
- Entfesselte Form: fünfzig Jahre Frankfurter Quadriga, Städel, bearb. v. S. Hofer, Frankfurt a. M. 2002
- Ausst. Kat. Rodgau 2002
- Otto Greis, Galerie Leßmann&Lenser, Texte v. U. Geiger, U. Wiecorek, Rodgau 2002
- Ausst. Kat. Darmstadt 2003/04
- Otto Greis. Zeichnungen, Hessisches Landesmuseum Darmstadt und Städtische Galerie Wolfsburg, Text v. M. Haas, Darmstadt 2003/04
sonstige Literatur:
- Ausst. Kat. Mannheim 1957/58
- Eine neue Richtung in der Malerei, Kunsthalle Mannheim, Mannheim 1957/58
- Ausst. Kat. Oldenburg 1958
- Ars viva, Deutsche Malerei seit 1950, Oldenburger Kunstverein, Oldenburg 1958
- Ausst. Kat. Kassel 1959
- Kunst nach 1945. Dokumenta II, Kassel 1959
- Ausst. Kat. Kassel 1965
- Documenta III, Kassel 1965
- Ausst. Kat. Berlin 1986
- 1945 - 1985. Kunst der Bundesrepublik Deutschland. Nationalgalerie - Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1986
- Ausst. Kat. München 1987
- Querschnitt Informel, Galerie Heseler, München 1987
Emmanuel Bénézit (Hrsg.), Dictionnaire critique et documentaire des Peintres, Sculpteurs, Dessinateurs et Graveurs …, Bd. 5, Nouvelle édition, Paris 1976, S.194
Weiterlesen →Materiebilder
<h4>1957 - 1958</h4>
Mit den Materiebildern, die Otto Greis seit 1956 zunächst experimentell, dann ab 1957 im großen Format erarbeitet, positioniert er sich wieder in der internationalen Kunstszene. Karlheinz Gabler, Sammler und Kunstschriftsteller, formuliert entsprechend: „Farbige Kunstharzmassen, zähflüssig gegossen, mit dem Palettmesser aufgerissen und geformt, rufen die kruden Figurationen vorgeschichtlicher Bewusstseinsstufen herauf. Ungebrochene Farben, verbunden mit urtümlichen Formen, entfalten die Kraft der Fetische einer prärationalen Welt.(...) Er [Greis, Anm.d.V.] kann nun nicht mehr durch die schmale Brille der innerdeutschen Kunstentwicklung gesehen werden.(...) Auch 1956 zeigen seine schweren Emulsions-Materialbilder erst im Zusammenhang mit dem Dänen Asger Jorn und dem Holländer Karel Appel die Bandbreite des europäischen Stilentwurfs.“1
Gablers Beobachtungen, die auf eine zu dieser Zeit allgemein verbreitete Tendenz zum Materialbild hinweisen, können als Anregung dienen, Greis’ Werke von 1957 und 1958 im Zusammenhang auch mit deutschen Künstlern, wie etwa Gerhard Höhme und Karl Fred Dahmen, oder den Franzosen Jean Fautrier und Jean Dubuffet zu analysieren. Eine genauere Untersuchung steht bislang noch aus und kann auch im Rahmen dieses kurzen Essays nicht gegeben werden.
Auf der Suche nach Expression und Authentizität integrieren viele Künstler Fundstücke in ihre Arbeiten. Daniel Abadie resümiert : „Ein solches Unternehmen sollte schnell Schule machen und jeder versuchte es auf seine Art mit dicken Pasten, Mörtel oder irgendwelchen Kinkerlitzchen. Ende der 50er Jahre war das Materialbild große Mode, bis es vom Nouveau Réalisme und der Pop Art abgelöst wurde, für die es den Weg frei gemacht hatte.“2
Für Otto Greis bedeuten die Materiebilder weiterhin eine „Suche nach Form mit informellen Mitteln“.3 Gegenstände in das Bild einzufügen kommt für ihn nicht in Frage. Sein künstlerisches Ziel lautet, ein Bild ganz aus den der Malerei immanenten Mitteln heraus zu gestalten. Eine im wahrsten Sinne des Wortes gegenstandslose Komposition herauszuarbeiten, die in ihrer malerischen Hermetik keinen vordergründig erzählerischen Habitus besitzt, und erst in der Wechselwirkung mit dem Betrachter Emotionen oder Erinnerungen wecken kann. Greis’ Ansicht nach, würde jedes eingefügte Objekt, im Sinne eines Fremdkörpers, die bildnerische Einheit aus Farbe, Form und Raum stören.
Die Zunahme der Farbmaterie resultiert aus der Absicht Perspektivwirkungen, wie sie in der vorangegangenen „Tuareg“-Serie in Erscheinung getreten sind, entgegen zu wirken und die 3. Dimension als reine Flächendimension in die Gestaltung einzubinden. „Fast ein expressives Unternehmen, die Ausdruckskraft der Bilder noch zu steigern und gleichzeitig die Fläche noch durch den großen Materialanteil zu sichern“ 4, erläutert der Künstler 1967. Die Leinwände sind von reliefhaft verdichteten Farbschichten überzogen. Sandbeimischungen unterstützen den haptischen Charakter der Bilder. Die Werkphase lässt sich in zwei Gruppen unterscheiden: Es gibt Bildoberflächen, die vom Verlauf der flüssigen Malmaterie plastisch moduliert sind und andere, die wie ein zerklüftetes Farbrelief wirken, geformt aus parallelen, schmalen Ritzungen. Als Malmittel verwendet Otto Greis vorzugsweise dickflüssige Mastixharzfarbe, die in ihrer Schwärze zum Ausdrucksträger der Bilder wird. Die Farben erscheinen mal trocken–porös, mal flüssig–weich in ihrem Verlauf auf der Leinwand, die während des Malens auf dem Fußboden liegt. Der bildnerische Prozess materialisiert sich geradewegs und vehement. Die Materiebilder von Otto Greis können in dieser Hinsicht als eine „Weiterung des Tachismus“ betrachtet werden.5
Greis realisiert Werke, deren Bildräumlichkeit beeindruckend ist. Ganz bewusst nutzt er Farben, denen raumdynamische Wirkkräfte eigen sind, wie etwa Rot, das optisch hervorspringt, oder Blau, das sich in die Ferne zurückzieht. Hinzu kommen reale plastische Reize durch die pastos aufgetragene Mastixharzfarbe. Der fortwährende Höhen- und Tiefenwechsel, der das Auge des Betrachters unruhig bewegt, verleiht den Werken ihren vitalen, energetischen Charakter. Die Unabgeschlossenheit der Formen, die sich einer Definition entziehen, entwickeln die innerbildliche Verwobenheit mit. Angesichts dieses Farbe-Formgeschehens, das sich in einem ständigen status nascendi zu befinden scheint, fühlt sich der Betrachter an archaische Gestaltungen erinnert, oder eben auch an „prärationale“ Ausdrucksformen, die mit Worten kaum zu erfassen sind. Otto Greis hat bereits Anfang der 50er Jahre die vorgeschichtlichen Höhlen von Nioret, Lasceaux und Altamira besucht, als auch Höhlenmalereien in der Dordogne. Sein Interesse an der Ethnologie verbindet ihn mit Künstlern der Art Brut Bewegung. Bestätigung und Anregung auf seinem Weg wird ihm auch der befreundete Bildhauer Raoul Ubac gegeben haben, der in seinen Schieferritzungen archaischem Vokabular nachspürt. Spätestens seit seinem Umzug 1957 nach La Frette sur Seine, 14 km von Paris entfernt, besucht Otto Greis regelmäßig das Musée de l´Homme, um sein Wissen zu vertiefen. Die beeindruckende Begegnung mit den Kultgegenständen der Naturvölker trägt dazu bei, im eigenen Werk magische Ausdrucksformen herauszuarbeiten. Unterstützt wird diese Bildsprache durch die vorherrschende schwarze Farbe. Das Dunkle in Verbindung mit der schweren Materialität, die scheinbar verborgenen Regeln folgend, für einen Moment zur Bildform erstarrt ist, evoziert den seltsamen, magischen Werkcharakter.
Anlässlich von Otto Greis’ Ausstellung 1959 in der Galerie Parnaß in Wuppertal, in der beinahe alle Materiebilder der Jahre 1956 - 1958 gezeigt werden, notiert der Kunsthistoriker Kurt Leonhard folgende Zeilen, die eine anschauliche Charakterisierung dieser Werkreihe geben: „So entsteht eine neuartige, aufgelöste Bildwelt zwischen Gestalt und Gestaltlosigkeit, Abgrenzung und Ineinandersturz; eine radikal malerische Malerei, offen, fließend, heraklitisch, nie festlegbar. Die Unentrinnbarkeit nicht nur der Gegenstände, sondern auch der abgegrenzten Formen ist endlich überwunden. Subjekt und Objekt, Positiv und Negativ, Seele und Ding, Leben und Tod, Zerstörung und Gestaltung, alle Gegensätze scheinen ineinander übergeführt durch das lösende Medium der Malerei.“ 6
1 Kat. Otto Greis, Bilder der 50er Jahre, Galerie Ostertag, Frankfurt a.M. 1975, o.Pag.
2 Daniel Abadie, Trophäen aus Realitätsfetzen: Vier Hauptvertreter des Materialbildes, Kat. Paris-Paris, 1981, S.228
3 Gespräch Otto Greis/Ulla Siegert, 27.2.1995, zit. n.: Ulla Siegert, Otto Greis. Farbe – Form – Licht, Werkverzeichnis 1945-1995, (Diss.), Hamburg 1999, S.83, Anm.1
4 Brief an Dr. Bussmann, La Frette sur Seine, November 1967, zit. n: Kat. Otto Greis, Landesmuseum Mainz, 1989, S.13
5 Gabriele Lueg, Studien zum deutschen Informel,(Diss.) o.O. 1984, S.140
6 Kurt Leonhard, „Notizen vor den Bildern eines >>informellen Malers<<, in: U.Siegert, Otto Greis, Farbe – Form – Licht, Werkverzeichnis 1945-1995, (Diss.), Hamburg 1999, S.95f